Rehabilitation der zu Unrecht wegen Hexerei verfolgten, verurteilten und hingerichteten Frauen und Männer der Stadt Bernau

Publiziert am 18. Mrz 2017 in Anträge

Rehabilitation der zu Unrecht wegen Hexerei verfolgten, verurteilten und hingerichteten Frauen und Männer der Stadt Bernau

Die Linksfraktion beantragt gemeinsam mit der SPD/Freie-Fraktion und der Fraktion Grüne/Piraten, dass die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bernau die Rehabilitierung der in der Zeit der Hexen- und Zaubererverfolgung des 16. und 17. Jahrhunderts hingerichteten Menschen durchführen soll. Dazu wurde ein Beschlussentwurf erarbeitet.

Begründung:

Während der Hexenverfolgungen wurden von 1536 bis 1658 in Bernau bei Hexenprozessen 25 Frauen und drei Männer wegen angeblicher Zauberei verfolgt, gequält und mitunter bei lebendigem Leib verbrannt (s. Anlage).

Der erste Höhepunkt dieser Verfolgungswelle fand 1617 statt und jährt sich damit in diesem Jahr zum vierhundertsten Mal. Bis heute gibt es gegen dieses Unrecht keine offizielle Verlautbarung der Stadt Bernau bei Berlin.

Um an dieses Unrecht unserer Vergangenheit zu erinnern und für die heutige Zeit ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung zu setzen, beantragen wir , die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bernau möge die Opfer der Hexenprozesse rehabilitieren, um die Ehre der durch die Hexenprozesse verfolgten und hingerichteten Bernauerinnen und Bernauer wieder herzustellen.
Dieser Antrag beinhaltet nicht eine juristische, sondern eine symbolische moralisch-ethische Rehabilitierung.

Aus heutiger Sicht sind die wegen Hexerei verurteilten Frauen und Männer im Sinne der Anklage für unschuldig zu erklären. In Zeiten der modernen Naturwissenschaften ist jedem einsichtig, dass ein Mensch nicht auf einem Besenstiel zum Hexensabbat fliegen oder mit Zauberei Wetterkatastrophen oder Krankheiten bewirken kann. Dennoch sind die Opfer der Hexenprozesse nie rehabilitiert worden, sie gelten bis heute als schuldig im Sinne der Anklage. Das erlittene Leid und geschehene Unrecht sind nie öffentlich anerkannt worden. Es muss deutlich gesagt werden: Es gab keine „Hexen“, sondern Menschen wurden durch die Folter zu „Hexen“ gemacht. Viele Hexenprozessakten aber bezeugen, dass viele Angeklagte trotz schlimmster Martern an ihrer Unschuld bis zu ihrem letzten Atemzug festhielten.

Eine sozialethische Rehabilitation der Verurteilten soll im Sinne der Menschenwürde, der Menschenrechte und der Humanität, der Wiederherstellung ihrer individuellen Ehre sowie dem dauerhaften Gedenken an diese unschuldigen Opfer dienen.
Es ist in unserer Gegenwart und Gesellschaft sinnvoll und wichtig, eine solche öffentliche Erklärung abzugeben, da auch in der Gegenwart Feindseligkeiten und Vorurteile, Gerüchte und Verdächtigungen gegen Menschen oft zu ihrer gesellschaftlichen Ächtung und Ausgrenzung führen. Die öffentliche und hemmungslose Diskriminierung und Diffamierung von Einzelnen oder Menschengruppen führen bis heute zu offenen oder heimtückischen Gewaltanwendungen gegen Menschen.

Die Stadt Bernau hat mit solch einer Erklärung die historische Chance, ein symbolisches Zeichen gegen körperliche und geistige Gewalt zu setzen. Die öffentliche Rehabilitation der durch die Hexenprozesse zu Tode gekommenen Personen stellt eine klare und deutliche Willensbekundung gegen jegliche Missachtung der Menschenwürde und Menschenrechte in unserer Zeit dar.

Beschlussvorschlag:

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bernau beschließt die Rehabilitierung der in der Zeit der Hexen- und Zaubererverfolgung des 16. und 17. Jahrhunderts hingerichteten Menschen durchzuführen und fasst dabei folgenden Beschluss:

Die Rehabilitation der unschuldig gequälten und hingerichteten Opfer der Hexen- und Zaubererverfolgung in Bernau während des 16. und 17. Jahrhunderts ist ein Akt im Geiste der Erinnerung und Versöhnung. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bernau verurteilt diese Gewalt, die an Frauen und Männern begangen wurde. Sie gedenkt der Opfer, rehabilitiert sie öffentlich und gibt ihnen damit heute im Namen der Menschenrechte ihre Ehre zurück.

Wenngleich die Stadt Bernau nicht Rechtsnachfolgerin der damals Verantwortlichen ist, so besteht dennoch eine ethische Verpflichtung gegenüber den Opfern und ihren Familien. Angesichts der lokalen Geschichte steht die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bernau zu dieser Verpflichtung.

Der Antrag wurde von der Linksfraktion, der SPD/Freie-Fraktion und der Fraktion Grüne/Piraten gemeinsam am 2.3.2017 eingereicht. Er wird in den Ausschüssen und in der SVV im April 2017 beraten.

 

Anlage: Namen der Opfer der Hexenprozesse/ Hexenverfolgung in Bernau

Neben dem Henkerhaus von Bernau steht ein Denkmal für die Opfer der Hexenprozesse mit der Inschrift „der Hexerei beschuldigt, gefoltert, getötet“. Es wurde von der Künstlerin Annelie Grund geschaffen und am 31. Oktober 2005 eingeweiht. Es erinnert an 25 Frauen und drei Männer, die in den Hexenverfolgungen in Bernau zwischen 1536 und 1658 wegen angeblicher Zauberei verfolgt, gequält und mitunter bei lebendigem Leib verbrannt wurden.

Frau Blanckenburg 1536
Frau Glinicke 1537
Anna Schulz 1543
Großmutter Meermann
Mutter Meermann
Regina Krümmel 1617
Barbara Müncheberger 1617
Gertrud Mühlenbeck 1617
Mutter Westphal 1617
Gürgen Crone 1618
Emerentia Flöricke 1618
Orthie Meermann 1619
Dorothea Hellwieg 1620
Catherina Schultzen 1620
Dorothea Schlüens 1620
Balthasar Kluge 1620
Barbara Habedanck 1620
Margarethe Dünnemund 1620
Margareta Wegener 1620
Albrecht Rolle 1620
Margarete Hentzen 1621
Anna Hentzen 1621
Anna Mund 1621
Elisabeth Mund 1621
Anna Stechow 1621
Catherina Sellcho 1621
Anna Kröchel 1653
Eva Strauch 1658

Quelle: Chronik der Stadt Bernau, Tobias Seiler, Beschreibung der Königlichen und Kurfürstlichen Brandenburgischen mittelmärkischen Stadt Bernau, 1720 – 1736 (die Bernauer Stadtchronik)

Update 19.4.2017: Auf der Stadtverordnetenversammlung am 6. April 2016 haben die Bernauer Stadtverordneten den Antrag zu moralischen Rehabilitierung der 28 bekannten Opfer der Bernauer Hexenprozesse beschlossen. Der Antrag, der von der Fraktion DIE LINKE, der SPD/Freie Fraktion und der Fraktion Bündnis 90- Grüne/ Piraten gemeinsam eingebracht wurde, erhielt 23 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Damit ist Bernau die erste Stadt im Land Brandenburg, die in dieser Weise die Opfer des Europäischen Hexenwahns rehabilitiert hat. Mehrere überregionale Medien berichten über diesen Beschluss. Die Artikel sind hier zu finden. Den Antrag finden Sie hier.