Meine Damen und Herren,
wir, das sind die Fraktionen Grüne/Piraten, SPD/Freie Fraktion und die Fraktion DIE LINKE beantragen heute die moralische Rehabilitierung der zu Unrecht wegen Hexerei verfolgten, verurteilten und hingerichteten Frauen und Männer der Stadt Bernau.
Es ist richtig, dass die Welt voller Unrecht ist. Das ist heute so, genau wie vor 400 Jahren. Das meiste davon kann man kaum wieder gut machen.
Die Hexenverfolgung gehört zu den düstersten Kapiteln unserer Geschichte. Die Opfer sind unter der Folter unvorstellbaren Torturen unterworfen worden. Sie und ihre Familien, manchmal bis in die dritte und vierte Generation hinein, mussten unerträgliches Leid erfahren. Sie haben es verdient, dass man ihrer gedenkt, und Wege sucht, das ihnen angetane Unrecht wieder gut zu machen.
Heute ist der einzig gangbare Weg die moralische Rehabilitierung.
Auch die Stadt Bernau hat es verdient, dass ein solcher Schritt endlich vollzogen wird, denn nach wie vor gibt es kein anderes offizielles Dokument unserer Stadt, das sich mit der Hexenverfolgung beschäftigt, als die Chronik von Tobias Seiler von 1736. Die Crux ist nur, dass Seiler die Hexenverfolgung in seiner Chronik befürwortete.
Nachdem wir 2005 unser Hexendenkmal eingeweiht haben, haben wir heute die Chance, uns als erste Stadt im Bundesland Brandenburg in die bundesweite Bewegung zur moralischen Rehabilitierung der Opfer der Hexenverfolgung einzureihen. Wir haben die Chance, Gedenkort der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) zu werden. Ich wiederhole: unsere Stadt hat es nach all den Initiativen Bernauer Bürgerinnen und Bürger zum Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung verdient, dass Sie, meine Damen und Herren heute den vorliegenden Beschluss positiv bescheiden.
Lassen Sie mich bitte etwas zur Entstehung des Antrages sagen: Vor reichlich zwei Jahren ist aus der Bürgerschaft die Anfrage an die LINKE Fraktion gestellt worden, ob wir uns mit dem Thema und dem Ziel eines Beschlusses in der Stadtverordnetenversammlung befassen könnten. Meine Fraktion hat mich gebeten, diese Angelegenheit zu übernehmen. Ich habe diejenigen Bernauer gesucht, die sich seit Jahren mit dem Thema befassten. Wir haben eine Arbeitsgruppe gebildet die die Vorbereitung der Aktionen koordinierte. Wir beschlossen vorerst vier Höhepunkte zu organisieren. Erstens eine Ausstellung über die Hexenverfolgung auch in Bernau (kann man im Rathaus noch bis Ende April besuchen). Zweitens eine Podiumsdiskussion zum Thema, um die Bernauer Bürgerinnen und Bürger an den Gegenstand heranzuführen. Beides fand am 27. Februar statt. Drittens einen ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer und viertens einen Beschlussantrag an die heutige Stadtverordnetenversammlung.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei den Akteuren der Arbeitsgruppe Rehabilitierung der Opfer der Bernauer Hexenprozesse zu bedanken. Stellvertretend möchte ich hier nennen: die Künstlerin Annelie Grund, Pfarrerin Constanze Werstat, die Verantwortliche der EKBO Pfarrerin Marion Gardei, die Historikerin Dr. Birgit Schädlich, Herrn Hartmut Hegeler, Initiator unserer Ausstellung und den Direktor des Bernauer Heimatmuseums Bernd Eccarius.
Lassen Sie mich zum Schluss aus der Predigt der Generalsuperintendentin der EKBO Ulrike Trautwein vom 12.März dieses Jahres zitieren. Die Notwendigkeit gerade in unserer Zeit Beschlüsse wie den vorliegenden zu fassen, kann nicht besser zum Ausdruck gebracht werden.
„Was wir heute tun ist ein Akt der Buße, wir erinnern an die ermordeten Menschen in dem wir ihre Namen lesen, ihr Schicksal anschauen. Wir erinnern an die Schuld, die unsere Vorfahren im Namen unseres christlichen Glaubens auf sich geladen haben. Wir tun das um ihretwillen, um der Würde der Frauen und Männer willen, die so aus der Gemeinschaft und dem Leben gerissen wurden. Wir tun das für sie, wir tun es aber auch für uns heute. Allein zurückgewandtes Erinnern macht keinen Sinn, Erinnern macht dann Sinn, wenn wir es mit dem Heute verbinden, mit dem was wir jetzt erleben. …
Gerade in diesen Tagen in denen der Firnis wieder dünner wird und Menschen sich leicht auseinanderbringen lassen. Gerade an diesen Tagen ist es wichtig, dass wir an allen Orten an denen wir leben zeigen: Nicht mit uns, wir lassen unsere Welt nicht in zwei Farben, in weiß und schwarz aufteilen, wir wollen alle Töne sehen! Wir schauen genau hin, lassen nicht zu, dass pauschalisiert und stigmatisiert wird. Wir ertragen nicht das ganze „Wir zuerst“- Geschrei und das damit verbundene Abwerten ganzer Menschengruppen.“
Ich danke Ihnen
Sören-Ole Gemski
Stadtverordneter Fraktion DIE LINKE in der Stadtverordnetenversammlung Bernau bei Berlin
Der beschlossene Antrag ist hier zu finden.
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