Linksfraktion im Dialog mit den Bürgern: Wie soll sich Bernau bis 2030 entwickeln?

Publiziert am 25. Okt 2015 in Artikel

Linksfraktion im Dialog mit den Bürgern: Wie soll sich Bernau bis 2030 entwickeln?

Das Interesse an der Debatte über Zukunftsstrategien für Bernau war groß. Nahezu 70 interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnte die Fraktionsvorsitzende Dr. Dagmar Enkelmann im „Treff 23“ begrüßen; darunter auch Vertreterinnen städtischer Gesellschaften.

Stadtentwicklungs- und Wohnbedarfe heute und in Zukunft, Aufgaben für Politik und Verwaltung, Schaffung bezahlbarer Wohnungen für Bernauer und Neubürger, die Infrastruktur – das waren Themen der konstruktiven, kritischen Debatte.

Dr. Hildegard Bossmann präsentierte zu Beginn eine Analyse zum Bestand und zum Bedarf an Wohnungen in Bernau als Voraussetzung für Prognosen, Zukunftsplanungen und die Entwicklung von Visionen.

Seit 1992 wurden in Bernau 6.800 Wohnungen neu gebaut. 63 Prozent davon in Ein- und Zwei-Familienhäusern. Bernau ist zum attraktiven Wohnstandort geworden. Jetzt gäbe es jedoch eine verstärkte Nachfrage nach innerstädtischen, bezahlbaren Mietwohnungen für Familien, Ältere und Alleinstehende. Dieser Trend ist zu beachten. Seit 2010 nehmen die Zuzüge nach Bernau wieder zu, 2014 waren dies 2.500 Personen. Bernau hat jetzt bereits 38.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Stadt gehört zu den 30 Städten im Land Brandenburg mit einem angespannten Wohnungsmarkt, es gäbe praktisch keinen Leerstand.

Planung und Planungssicherheit werden gebraucht

Dies bestätigte auch Antje Mittenzwei, Geschäftsführerin der WOBAU. Sie präsentierte das 10-Jahres-Konzept der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die in den letzten drei Jahren 100 Wohnungen gebaut hat. Mit einem möglichst hohen Anteil staatlicher Förderung für Sozialwohnungen will die WOBAU bis 2019 nochmals 400 Miet-Wohnungen realisieren. Hierzu bräuchte die städtische Wohnungsgesellschaft politische Entscheidungen und Signale aus der Landespolitik, wie der soziale Wohnungsbau auch nach 2017 weiter gefördert werde. Auch Oliver Mayrdorfer, Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft Einheit Bernau, sieht hier die Politik in der Pflicht.

Bernau als starkes Mittelzentrum mit der Verantwortung zur sozialen Daseinsvorsorge

Bernau als starkes Mittelzentrum und attraktiven Standort auszubauen, so umriss Bürgermeister Stahl (Die Linke) seine Zielvorstellungen. Aber der Wohnungsbau sei nur eine Säule. Es brauche eine der wachsenden Bevölkerung angepasste Wirtschafts-, Verkehrs- und soziale Infrastruktur. In einem Parforceritt, stellte er seine Vorstellungen zur Stadtentwicklung, Gewerbeansiedlung, Verkehrs- und Sozialinfrastruktur von Bernau dar.

Eigenheimsiedlungen werden in den nächsten Jahren noch in Schönow, Börnicke, Rehberge und Bernau Süd entstehen bzw. fertiggestellt. Doch der Siedlungsbau werde nach seiner Einschätzung zukünftig nicht mehr die Priorität haben. „Städtebaulich müssen wir die noch vorhandenen Wohnbauflächen künftig mit Geschoss- und Mietwohnungsbau besser auslasten“, ist sich Stahl sicher. Deshalb seien die großen ehemaligen Militärflächen Schönfelder Weg und Schwanebecker Chaussee für den Geschosswohnungsbau und Gewerbe vorgesehen.

Mit sozialer Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen sei Bernau für die Zukunft gut aufgestellt. Auch deshalb brauche Bernau weiteren Zuzug, um die in den letzten Jahren mit hohem Aufwand sanierten bzw. errichteten sozialen Einrichtungen nachhaltig auszulasten. Er verweist darauf, das Bernau als Mittelzentrum eine starke Funktion der sozialen Daseinsfürsorge auch für das Umland habe. Und tatsächlich sei es schon jetzt so, dass ein Großteil der rund 6.000 Einpendlerinnen und Einpendler, die in Bernau arbeiten, aus dem Barnimer Umland komme.

Keine andere Stadt im Berliner Umland habe so günstige Verkehrsanbindungen zur Hauptstadt wie Bernau. In Berlin werden in den nächsten Jahren zehntausende Wohnungen gebraucht, man wolle jetzt mehr mit dem Umland kooperieren. Aber für eine Eingemeindung Bernaus sieht Stahl keine Anzeichen und er habe im Übrigen keine Ambitionen, Berliner Bürgermeister zu werden, bemerkt er trocken. Vom Zuzug aus Berlin könne Bernau jedoch profitieren, ist sich das Stadtoberhaupt sicher.

Erste Schritte zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur

Die Verkehrsinfrastruktur innerhalb der Stadt stoße langsam an ihre Grenzen. Deshalb sei die Stadt bereits tätig, die Ladestraße des ehemaligen Güterbahnhofes zu erwerben und als Entlastung für die Anwohnerinnen und Anwohner von Bernau Süd, dem Nibelungenviertel und Börnicke auszubauen. Ebenso werde geprüft, ob die Durchlassfähigkeit des Stadtringes durch eine Einbahnstraßenreglung und damit die Mobilität nachhaltig verbessert werden könne.

Bei den Investitionen der nächsten Jahre müsse man deshalb für den Stadthaushalt Prioritäten setzen. Neue Parkhäuser werde es nicht geben, solange die vorhandenen nicht ausgelastet werden, beschied er auf eine Anfrage aus dem Publikum. Eher wolle man den öffentlichen Personennahverkehr verbessern.

Braucht Bernau einen neuen Flächennutzungsplan?

Bauingenieur und Unternehmer Dr. Manfred Hübler sieht das so. Er fordert die Stadtverordneten auf, nicht zu kleinteilig zu denken und entwirft ein Modell, wonach die Stadt in konzentrischen Kreisen über das bisherige Stadtgebiet hinaus entwickelt werden könnte. Ansatzpunkt für ihn ist der hauptsächlich aus dem Süden kommende und nach Süden gehende Verkehr. Er meint, dass nach umfassender Analyse und breiter Debatte mit den Bürgerinnen und Bürgern Visionen und Ziele formuliert und für diese eine Umsetzungsstrategie erarbeitet werden sollte.

Wachstum ja – aber nicht ohne bezahlbare Wohnungen

Aus dem Saal wurden Befürchtungen geäußert, dass der Wohnungsbau zukünftig nur noch zu hohen Mietpreisen erfolgen werde und wie dem begegnet werden solle. In Bernau gibt es jährlich rund 300 Antragsteller_innen auf einen Wohnberechtigungsschein, aber kaum freie Sozialwohnungen.

Die Mitglieder der Linksfraktion sehen die Möglichkeit, dass die Stadt und die SVV die politischen Voraussetzungen dafür schafften, um alle Fördermöglichkeiten für den sozial vertretbaren Wohnungsbau in Anspruch nehmen zu können. Das dafür notwendige Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) ist bereits in Arbeit. Mit dem Mittelbereichskonzept bewirbt sich Bernau mit den Umlandgemeinden beim Stadt-Umland-Wettbewerb um Fördermittel des Landes. Bei der Bauleitplanung sollen die Ziele der Stadtentwicklung künftig noch stärker berücksichtigt werden. Darüber gab es weitgehend Konsens.

Darüber hinaus müsse man sich langfristig überlegen, wie man die Mietpreise für sozial Bedürftige dämpfen könne. Über einen Mietspiegel müsse neu nachgedacht werden. Linke können sich auch vorstellen, dass ein bestimmter Prozentsatz aller frei werdenden Wohnungen bei der städtischen Gesellschaft an WBS-Inhaber vergeben werden. Es könnte auch eine Härtefallregelung geben, wonach für diesen Personenkreis nach Auslaufen der Mietpreisbindungen eine Deckelung der Miete geprüft werden sollte.

Die Hinweise zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren sowie die in die Diskussion eingebrachte Verankerung von politischen Zielen mit einer langfristigen Flächen- und Entwicklungsplanung will die Linksfraktion in der Stadtverordnetenversammlung weiter befördern.

von Margot Ziemann und Dr. Hildegard Bossmann